Im Garten des Exils und im Garten Berlins

Bereits seit geraumer Zeit hatte ich mir vorgenommen, dem Jüdischen Museum in Kreuzberg einen Besuch abzustatten. Ich habe mir sowohl die Dauer- als auch die Sonderausstellung angeschaut und mir dafür etwa drei Stunden Zeit genommen.

Von einigen Dingen – neben all den schrecklichen Fakten, die man hier zu lesen und furchtbaren individuellen Geschichten, die man zu sehen bekommt – haben mich vor allem einige architektonische Anlagen im Libeskind-Bau beeindruckt.
Folgendes Bild zeigt ein paar Stahlplatten in 2D-Gesichtsform aus den so genannten „Voids“, die das Verlorene symbolisieren sollen.

Sie haben mich besonders beeindruckt. Meiner Meinung nach drücken sie einfach „alles“ aus. Man konnte über sie hinweggehen… im wahrsten Sinne des Wortes auf sie treten. Die Geräusche, die dabei entstehen, sind unbeschreiblich. Doch im Grunde ist es, als würde man nach der Trauer irgendwo am Horizont eine seichte Melodie der Hoffnung vernehmen… Dies würde dann allerdings bedeuten, dass hier nicht nur das Verlorene, sondern auch eine ferne Hoffnung dargestellt wird…

Weiterhin gab es im Jüdischen Museum (genauer: im Libeskind-Bau) eine Art Garten zu sehen, der architektonisch so „ungerade“ konstruiert war, dass jedem, der hindurchgeht, tatsächlich schwindelig wird. Ich habe versucht, mich an irgendetwas Gradem zu orientieren, mich gewissermaßen irgendwo festzuhalten, doch es ist mir nicht gelungen. Die Anlage ist um ganze zwölf Grad geneigt, gerade so viel, wie es bedarf, um die sinnliche Wahrnehmung zu täuschen… Das einzig Rechtwinklige war schlicht die quadratische Form der Anlage. Ihr Name: Garten des Exils – nichts für schwache Gemüter. Auf den Seiten des Jüdischen Museums kann man folgendes darüber lesen: „Diese räumliche Erfahrung soll auf das Gefühl von Haltlosigkeit und die mangelnde Orientierung verweisen, welche Emigranten empfanden, die aus Deutschland vertrieben wurden. Aus den Stelen wachsen Ölweiden, die Hoffnung symbolisieren.“

Wer an Klaustrophobie leidet, sollte sich nicht den Holocaust-Turm anschauen, ein etwa 15 Meter hoher Raum, dunkel, mit nur einer schmalen Lichtsäule, die sich dem Himmel entgegenreckt. Es wirkt, als würde sie zu fliehen versuchen …

Im Anschluss war ich mit einem guten Freund am Urbankrankenhaus am Landwehrkanal verabredet. Wir haben im Rasen gelegen, geredet und die Schwäne beobachtet, die von Kindern gefüttert wurden. Ab und zu fuhr ein Rundfahrtschiff vorbei.
Sogar ein Schiff mit Musikanten darauf – ich habe es „Musikkutter“ genannt – zog an uns vorüber, als wir auf einem Schiffscafé saßen.

Am Abend waren wir noch auf einem Konzert im Englischen Garten in Tiergarten, von dem wir vorher gehört hatten. Dort spielte eine African Trance Percussion-Band mit Namen „Senegambigha“. Ein schönes Konzert mit starken Rhythmen. Die Künstler – daraus setzt sich der Name der Band zusammen – stammen aus Senegal, Gambia und Ghana.

ROTA – rotzig frech und leidenschaftlich rotiert

Gerade bin ich zur Tür rein. Gemeinsam mit meiner Freundin Laura habe ich mir die Erfolgsproduktion ROTA der brasilianischen Choreografin und Tänzerin Deborah Colker im Admiralspalast nahe dem Bahnhof Friedrichstraße angeschaut. Sie hat vor 14 Jahren in Rio de Janeiro die Tanzgruppe Companhia de Dança gegründet, die seit damals erfolgreich nicht nur in Brasilien, sondern auch in der Welt erfolgreich auf Tournée ging – und zuletzt ist sie nun noch bis zum 12. August mit ROTA in Berlin unterwegs.

Vorweg: Das Wort „rota“ (gesprochen wird es wie das Spanische „j“ [xota]) stammt aus dem Lateinischen (und somit Portugiesischen) und bedeutet „Rad“. Was es damit auf sich hat? Etwas später.

Colker hat in ROTA klassische Musik und Soundtracks (ich habe sogar Leitmotive aus dem Film „Der Pate“ darin vernommen…) mit pochenden Elektro-Beats , Balletttanzszenen mit heißem Tanz und anmutig schwebende Körper mit frechen, sich bisweilen selbst ohrfeigenden Personen (ein beliebtes Stilelement von Colker) kombiniert.

Das Tanzereignis teilt sich in zwei Häften:
In den ersten 20 Minuten gibt es also moderne Ballettszenen, loungige Beats und freche „Kampf“-Szenen zu sehen, die bisweilen zum Schmunzeln und – sieht man die Künstler sich selbst scheintbar aus dem Stand in 50 Zentimeter Höher katapultierend – zum Staunen anregen.

Nach einer 20-minütigen Pause geht es zunächst sehr konzentriert weiter: Personen kommen im muskulös angespannten Schwebeschritt daher, recken und strecken mit nur scheinbarer Leichtigkeit die Glieder immer wieder in die verschiedensten Richtungen (dies erinnerte mich an Variétékünstler…), bevor am Ende mit einem großen Rad aufgewartet wird und die Tänzer/Performisten gewissermaßen Kopf stehen… Rota – das Rad.

Es hat sich gelohnt dabei zu sein. Laura konnte mein reges Interesse an dieser Show und mein Staunen teilen. Bei einem Bier haben wir uns anschließend noch ein wenig darüber ausgetauscht.

Ich habe an manchen Stellen rote Augen vor Rührung bekommen, so ergriffen war ich auf der einen Seite von der (hinter den Tänzern doch gewiss erahnten) starken Selbstbeherrschung in den langen Trainings/auf der Bühne und auf der anderen Seite der Anmut der Körper…

Zwischen Spree und Frankfurter Allee

Zu einem Berliner Sommer – zugegeben, er fällt dieses Mal etwas kühl und weniger sonnig aus – gehört es nach den zahlreichen Stunden im Büro dazu, sich einen Feierabendcocktail zu genehmigen und den sich selbst oktruierten Stress beiseite zu schieben.

In der Nähe der Modersohnbrücke in Berlin-Friedrichshain gibt es seit ein paar Monaten eine Strandbar, deren noch etwas „versteckte“ Existenz mir bis gestern Abend verborgen geblieben war. Fast übersieht man sie, die nette Location in der Revaler Straße – zwischen der Spree und der Frankfurter Allee. Der Eingang ist unscheinbar, doch hinein tritt man in eine andere Welt.

Es war bereits dunkel, und besagte Strandbar war – dies lag nicht zuletzt an den nicht sehr sommerlichen Temperaturen – fast leer. Doch eine Beleuchtung in sanftdunklen Farben, chillige Musik, die von irgendwo her leicht in das inzwischen ferne Bewusstsein – dies lag dann wiederum am Caipirinha – drang, und ein in einer großen Tonne entfachtes Feuer – um die Glieder der wenigen Anwesenden zu wärmen – sorgten für ein unvergessliches Flair.

An dieser Stelle nur ein Eindruck von dem Blick, den man von der Warschauer Brücke aus hat. Das ist ein bisschen woanders, ein Stück in Richtung Westen, doch nicht minder interessant anzuschauen.