Die Sache mit dem Sturmfrei

Donnerstag, 14.00 Uhr. Heute ist es soweit. Ich habe genau das, was man sich als Mutter und Berufstätige – im Volksmund natürlich ganz klar das, was man „Powerfrau“ nennt – eigentlich dauernd wünscht: sturmfrei! Mann und Kind sind ausgeflogen, „Mama“ hat den ganzen Nachmittag für sich. Nur für sich. Ganze drei Stunden. Drei Stunden, in denen ich einfach einmal Dinge tun kann, zu denen ich sonst nicht komme: ein Buch lesen, lange in der Zeitung blättern, einen schönen Spaziergang machen, nur ich allein … Oder einfach einmal gar nichts tun. Das klingt eigentlich noch viel besser.

Nun ist es also soweit. Ich sitze auf dem Sofa und überlege, was ich denn nun mit meiner freien Zeit anfangen kann oder eben nicht. Während ich so sinniere, verstreichen viele wertvolle Minuten. Mich beschleicht schon mal leichte Panik: nur noch drei Stunden und fünfzig Minuten, dann kommen sie wieder … Da fällt mir ein großer, grüner Lego-Duplo-Stein ins Auge, der unter dem Sessel hervorlugt. Den tue ich eben in die Kiste. Und wenn ich schon dabei bin, räume ich noch schnell den Kinder-Staubsauger und die Nachzieh-Ente aus dem Weg.

So. Sitze wieder auf dem Sofa. In die Badewanne, auf jeden Fall gehe ich gleich schööön lange in die Badewanne. Mit einem Buch und einem Glas Wein. Joah, super. Ich schaue aus dem Fenster und lächele. Oh je, hier ist auch dringend einmal putzen angesagt. Das Lächeln erstirbt auf meinen Lippen. Wenigstens die Fenster im allgemeinen Sichtbereich. Das kann ich doch schnell noch erledigen. So lange wird das schon nicht dauern.

15.00 Uhr. Ich lasse mir ein Bad ein. Als ich in die Küche gehe, um mir ein Glas Rotwein einzuschenken, bemerke ich die Handabdrücke meines fast eineinhalb Jahre alten Knirpses am Herd. Pfuah. Darauf einen Grunzer der Unzufriedenheit. Obwohl das ja fast schon ein kleines Kunstwerk ist … Hach, der Kleine … Darauf einen Seufzer der Liebe. Nee! Das geht gar nicht. Das muss ich schnell noch entfernen. Ich drehe das Wasser im Bad lieber kurz ab.

15.15 Uhr: Die Spülmaschine zeigt mir eine rote Null. Ich öffne die Tür und lasse die Hitze heraus. Als ich das Schlafzimmer betrete, um mir frische Wäsche zu holen, fällt mir die unfrische da in der Ecke im Wäschekorb auf. Da war doch was. Ich raffe zwei Arme voll zusammen und schleppe sie (eben noch) zur Waschmaschine. Pulver rein, auf 40 Grad gedreht, Schalter an.

Zurück ins Schlafzimmer. Was wollte ich hier eigentlich noch …? Ach ja, die frische Wäsche. Was ist das denn … ?! Neben dem Blumentopf liegt ein Haufen Erde! Dieses Kind … ! Ich hole Handfeger, Schaufel und Staubsauger. Und wo ich schon einmal dabei bin, kann ich eigentlich den ganzen Raum noch einmal komplett saugen, ist eh fällig.

16.00 Uhr: Sooo. Welches Buch nehme ich denn mit ins Bad? Einen Thriller, eine Komödie, einen Ratgeber? Irgendwas Leichtes am Besten. Hm. Na. Oder doch der Ratgeber. Thema: Trotzphase …

17.00 Uhr. Drei Stunden sind um. Und was habe ich getan? Einfach nur das, was ich sonst auch immer tue. Nur, dass dann eben noch das Kind um mich herum ist. Das nächste Mal aber … ! Das nächste Mal nehme ich mir wesentlich mehr Zeit für mich. Und zwar nur für mich. Ganz bestimmt.