Heimchen, Herde – und Charles Dickens

Manchmal wünschte ich, unsere Altbauwände wären nicht so hellhörig. Und doch: Auch aus ungewollt an- und mitgehörten Gesprächen (oder Gebrüllen) kann man eine Menge lernen.

Ein Paar streitet sich. Sie sind über den ganzen Hof zu hören. Sie schreit rum, er habe nie Zeit für sie. Er beschwert sich, es sei ja auch nicht einfach, sie zu begeistern. Da würde er lieber mit seinen Freunden etwas unternehmen. Sie sagt, sie würde gern mal wieder etwas Schönes mit ihm kochen und ein Glas Wein mit ihm trinken. Mit ihm reden. Daraufhin bezeichnet er sie als Heimchen am Herd. Eine Tür knallt. Das Gespräch ist zuende.

Das „Heimchen am Herd“ hallt noch eine Weile in mir nach. Ich habe neuen Nährstoff für mein Sprachwissenschaftlerhirn gefunden. Ist eine Frau ein Heimchen, wenn sie sich gern daheim am Herd befindet?
Ich blättere in einem Bedeutungswörterbuch und staune: Das „Heimchen“ ist eine Verniedlichungsform von „der Heime“. Der. Männlich. Licht ins Dunkel: Der Heime ist eine männliche Grille!

Die Verniedlichung „Heimchen“ wurde bei uns vor allem durch die deutsche Übersetzung einer bekannten Erzählung von Charles Dickens bekannt: Cricket on the hearth. Die Grille am Herd. Die Geschichte endet mit dem Satz: „Ein Heimchen singt am Herde, ein zerbrochenes Kinderspielzeug liegt am Boden, und nichts ist mehr übriggeblieben.“

Ich lausche hinüber zu unseren Nachbarn. Noch immer Stille.

6 Gedanken zu „Heimchen, Herde – und Charles Dickens“

  1. Doch, will ich! Ich höre bei meinen Nachbarn auch immer genau hin – leider streiten die nicht so oft, und müssen sich demnach auch nicht so oft versöhnen …

  2. Hola!..;-)

    Trällerst Du nicht auch hin und wieder himmlische Melodien,
    wenn der Sonntagsbraten im Ofen bruzzelt?..;-D

    Ich vermisse manchmal die gute alte Zeit.
    Hausfrauen in geblümten Hausschürzen.
    Heimelige Liebesspiele… Da war die Welt noch ganz!..;-)

    „C’est le ton qui fait la musique“.. 😉

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